Strom und Wasser

Der Freitag wurde von Hanspeter und Tobias zum Ausruhen genutzt. Wir haben langsam etwas Probleme aufgrund von Schlafmangel wegen der Hahnenschreie in der Nacht. Ich selbst habe aber keine Möglichkeit zu großen Ausruhzeiten, weil die Projekte des Vereins geregelt werden müssen. Alinaswe ist eine enorme Hilfe, weil er gut in der Gegend vernetzt ist. Wie das funktioniert wird später berichtet.

Am Morgen bemühten wir uns vergeblich, den verantwortlichen Tanesco-Mitarbeiter zu erreichen. Tanesco ist der Stromlieferant in Tansania. Wir müssen wegen meiner Bitte an Herrn Dr. Nüßlein um Hilfe bei der Elektrifizierung des Dorfes Ihahi und der Schwesternschaft Fakten vorlegen können. Es ist dabei besonders wichtig, Details darüber zu erfahren, wie möglichst viele Dörfer von dieser Maßnahme profitieren könnten. Es zeigt sich überall, dass sich dort Kleinunternehmertum automatisch entwickelt, wo es Strom gibt. Die Elektrifizierung ist der Schlüssel zum Entkommen aus dem Armutskreislauf. Man muss nur mit offenen Augen durch das Land reisen und einen Blick für „Wohlstandsindikatoren“ haben, die da wären: Blechdächer auf den Hütten, der Zustand der Schuluniformen der Kinder und die Verwendung von Powertillern auf dem Feld. In solchen Gegenden gibt es fast immer Strom. Über Gebieten ohne Strom liegt, nach meinem Gefühl, oft eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und Resignation. Das Treffen mit Tanesco soll am Samstag stattfinden.

Dominique bemüht sich mit unendlicher Geduld, endlich eine Simkarte zu besorgen, um mit seiner Verlobten telefonieren zu können. Über eine Stunde bemühten sich mehrere Tansanianer vergeblich darum, sein Handy zu aktivieren. In der Zwischenzeit betätigte ich mich als Entwicklungshelfer bei den Kindern und unterrichtete sie in Aerodynamik und Flugzeugbau am Beispiel eines Papierfliegers. Ein Riesenspaß für alle Beteiligten.

Anschließend fuhren wir in das Dorf Mawindi in Ruhawe wegen des Pumpenprojekts von Nakoli. Um es gleich vorweg zu nehmen, das Projekt in der ursprünglichen Planung wurde von mir sozusagen „versemmelt“. Ich verstieß gegen den Grundsatz: Wir engagieren uns nur dort, wo wir die Situation persönlich kennen. Das hatte zur Folge, dass ich nur mit den Informationen arbeitete, die ich von Nakoli bekommen hatte.

Nakolis Englisch ist nicht so gut und er verwechselte das Wort „Brunnen“ mit „Fluss“. Also implementierte ich das Projekt als Bewässerungsanlage mit Saugpumpe und Feuerwehrschläuchen, die wir bereits in den Containern verschickt hatten. Vor Ort allerdings informierte mich der Arzt, dass das Dorf mit 4000 Einwohnern Trinkwasser braucht. Dazu wollten die Dorfbewohner von uns einen Hochbehälter bekommen, eine Tauchpumpe für einen Brunnen, einen Generator und ein Netzwerk von über 1000 Meter Wasserleitung mit verschiedenen Abfüllstationen und einer Wasserversorgung des Krankenhauses.

Eindrucksvoll stöhnten und ächzten einige Frauen an einer bereits vorhandenen Schlegelpumpe und jammerten darüber, wie schwer das Wasserpumpen sei. Ich musste mich zusammenreisen, um nicht loszulachen weil alles doch sehr inszeniert wirkte. Ein Mann steckte seinen Kopf vollständig in einen Wassereimer und trank ihn so zur Hälfte leer, bis er wieder mit nassen Kopf auftauchte und wortreich die Qualität des Wassers rühmte. Dann wurden mir vom Chairman die Vorzüge erklärt, wie gut es ist, nur den Wasserhahn aufzudrehen, um Wasser zu bekommen. Das verstehe ich auch sehr gut, musste der Versammlung aber erklären, dass fließendes Wasser zwar schön aber nicht lebensnotwendig ist.

Anschließend stellte ich einige Fragen. Zum Beispiel, wieviel Wasser eine Person am Tag verbraucht. Da kamen dann schnell 2 Eimer zu je 10 Litern zusammen, weil die Haustiere auch mit Wasser versorgt werden. Multipliziert mit 4000 ergibt das eine tägliche Wassermenge von 80.000 Litern. Es müssten daher 16 Tanks zu je 5000 Liter auf ein Hochgestell montiert werden, das ein Gewicht von über 80 Tonnen tragen müsste. Dann bräuchte man eine Tauchpumpe, die diese Leistung bringt und einen entsprechenden Generator. Betretenes Schweigen in der Dorfversammlung.

Dann stellte ich noch die Frage, wer Pumpe und Generator ggf. reparieren kann. Im Nachbardorf gibt es einen, der ein Messgerät für Strom hat. Ob das ein Elektroschraubenzieher oder ein Multimeter ist, konnte ich nicht erfragen. Dann stellte ich die Frage, wer den Sprit für den Generator bezahlen würde. Der Chairman sagte, dass alle, die Wasser holen, dann dafür bezahlen würden. Ich fragte, ob dann an jedem Wasserhahn jemand steht, der das Geld einsammelt, pro Eimer 10 TSh o.ä. und ob es so nicht im Dorf dann täglich Streitereien geben könnte. Da wurden die Gesichter der Menschen sehr traurig und dann wurde viel auf Kisuaheli diskutiert. Der Chairman sagte dann, dass es wohl doch nicht so gut ist, sowas zu bauen.

Der Arzt des lokalen Krankenhaus erklärte uns anschließend das wahre Problem des Dorfes: In der Trockenzeit geben die Brunnen nicht genug Wasser her und es gibt Versorgungsprobleme mit Wasser. In der Regenzeit wollen die Menschen in der Streusiedlung nicht mehr zu den weit entfernten Brunnen laufen und trinken das Wasser aus dem Fluss. Die Menschen glauben unerschütterlich daran, dass jedes fließende Wasser trinkbar ist. So brechen in der Regenzeit regelmäßig Amöbenruhr, Typhus und andere Krankheiten aus. Vor einigen Jahren gab es sogar eine Choleraepidemie. Dieses Problem könnte man mit einer Wasserversorgung in der Nähe der abgelegeneren Gebiete abstellen.

Wir machten keine Zusagen, uns in diesem Projekt zu engagieren, denn NGOs, die sich bei Trinkwasserprojekten engagieren, müssen die Standards der WHO für Trinkwasser einhalten. Diese können aber nur durch aufwändige Laboruntersuchungen ermittelt bzw. erfüllt werden.

Als Alternativprojekt könnte man den Dorfbewohnern eine Handpumpe geben. Den Brunnen können die Menschen selbst graben und einfassen, es gibt auch bereits bestehende Regierungsprogramme, die den Bau solcher Brunnen fördern. Diese Projekte sind schon seit Jahren beantragt, aber eine Handpumpe wurde noch nicht geliefert. So ist es eben in diesem Land, dass die Kleinbauern vergessen werden.

Durch unsere Teilnahme an der Delegation mit Herrn Munk und Dr. Nüßlein habe ich jetzt aber Kontakte zu Entwicklungshelfern der GIZ in Mbeya bekommen. Diese organisieren u.a. solche Wasserprojekte. Die bereits versendete Pumpe geben wir der Schwesternschaft, die damit Gemüsefelder auf der anderen Seite des Flusses bewässern können. Die Affen, die die Ernte immer auffraßen, konnten erfolgreich vertrieben werden.

Zum Abschluss besuchten wir noch Nakolis Familie. Sein Vater hatte in monatelanger Arbeit einen neuen Brunnen im Dorf gegraben. Wir wurden mit einem großen Sack Baobabfrüchte beschenkt, weil Nakoli weiß, dass ich den Saft der ausgekochten Samen gerne mag. Alinaswe fuhr mit uns zu seinem Freund, dem District Police Comissioner. Er lässt den Sack Baobabfrüchte mit einem Polizeifahrzeug zu unserer Unterkunft nach Chimala eskortieren.

So funktioniert Tansania, man muss Kontakte haben. Deshalb war die Delegation mit Herrn Munk und Dr. Nüßlein für unsere Arbeit auch so wichtig, weil dadurch Türen geöffnet wurden, die wir nie hätten alleine öffnen können.

Am Abend fuhren wir bei einem unglaublich schönen Sonnenuntergang und anschließendem Vollmondaufgang mit dem Daladala zum Gästehaus nach Chimala zurück.

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