Lichtschimmer auf dem Schwarzen Kontinent (GZ)

Helmut bei der Arbeit

Helmut bei der Arbeit

Günzburger Zeitung, 15.06.2013 – Unser Mitarbeiter Helmut Kircher hat in unserer Zeitung regelmäßig über den Günzburger Verein „Die Brücke“ und dessen Projekte berichtet. Jetzt begleitete der 73-Jährige die Teilnehmer auf eigene Kosten nach Tansania. Dort griff der Leipheimer nicht nur zu Stift und Block, sondern packte beim Kindergartenbau auch selbst mit an. „Ich unterstütze solche Sachen gerne“, sagt er. Zweimal war Kircher bereits in Afrika, aber so nah wie diesmal kam er an die Menschen nach eigenen Angaben noch nie heran. Um die 1000 Fotos hat Kircher, der sich selbst als Abenteuermensch bezeichnet, geschossen. Aber auf keinem Einzigen ist er selbst drauf. Helmut Kircher, langjähriger Fachmann vor allem in der Kultur- und Konzertberichterstattung der GZ, bleibt lieber im Hintergrund. Nach 17 Tagen in Afrika kehrte er mit den neun Mitgliedern des Vereins „Die Brücke“ Anfang Juni nach Deutschland zurück. (alk)

Lichtschimmer auf dem Schwarzen Kontinent

Hilfsprojekt – Der Günzburger Verein „Die Brücke“ hat in Afrika mit dem Bau eines Kindergartens begonnen. Dazu reisten zehn Teilnehmer in eine der ärmsten Regionen Tansanias. Doch um ein Haar wäre es gar nicht dazu gekommen.

Gottvertrauen fährt mit

Das war knapp! Verdammt knapp! Beinahe ist die Reise schon zu Ende, bevor sie eigentlich so richtig beginnt. Nur wenige Zentimeter sind es, die Unternehmungseifer von der Totalkatastrophe trennen. Beginnt so ein Reisebericht? In diesem Fall wohl. Eine Marginalie zwar, im Nachhinein gesehen, aber im Moment des Geschehens ein alles entscheidendes Damoklesschwert, das über unseren Köpfen schwebt, das uns den Atem stillstehen und die Knie zittern lässt, obwohl wir sitzen. Ganz vorn in einem hoffnungslos mit Menschen, Hühnern, Kisten, Kasten und Säcken überfüllten Fernreisebus. Wie eine Rakete rast ein Riesentanklastzug schnurgerade auf uns zu, versucht sein halsbrecherisches Überholmanöver noch abzuschließen, schafft es – auf Kamikazeart – gefühlte Millimeter vor uns auf die Gegenseite zu scheren, donnert mit Karacho hautnah an uns vorbei. „Trust in God“ steht in großen Lettern auf der Rückfront unseres in Hoffnungsblau gehaltenen Linienbusses. Was sonst schon könnte man machen.

Löwenfamilie

Afrika live. Afrika fernab aller Luxuslodges, im Alltagsspiegel des Lebens, auf du und du mit den Menschen, hauteng verbunden mit ihrem Alltag. Dar Es Salaam, exotisch klingende Hafenstadt am Indischen Ozean. Regierungssitz und Hauptstadt der Hässlichkeit. Vergifteter, versmogter Verkehrsmoloch, in Wolken von Staub, Dreck und Lärm gehüllt. Schön, wenn man es schleunigst verlassen kann. 700 Kilometer in westlicher Richtung, durch exotische Landschaftsschönheit, 14-Stundenfahrt nach Chimala/Brandt, dem Zielort, an dem die ersten Module des erdbebensicheren Kindergartens auf das hoffentlich fertig betonierte (niemand weiß es genau) Fundament gestellt werden sollen. Mit einer zehnköpfigen Gruppe reist die Günzburger NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) „Die Brücke e. V.“ – auf eigene Kosten – an, um Bau- und Organisationshilfe zu leisten. Im Gepäck die bange Frage: Wird die Dorfbevölkerung bereit sein zu aktiver Mitarbeit? Doch erst mal ein Zwischenstopp auf der langen Reise: Der Ruha Nationalpark lädt zur Elefanten-, Giraffen-, Zebra-, Antilopen- und Flusspferdsafari ein. Höhepunkt: eine satt-schläfrige Löwenfamilie, die soeben ein Zebra verspeist hat.

Maasai Tag

Weiter zu einem Massaidorf, deren Bewohner mit uns, so heißt es, ihren Einstieg ins Touristengeschäft proben. Bunte Gewänder, hinreißende Kulttänze, mehrstimmiger Chorgesang, Viehtrieb, holzkohlengegrillte Ziege und – wir sind die Ersten – Nächtigung auf Heumatratzen in fensterlosen Lehmhütten. Warme Wassereimer-Dusche im Freien, Plumpsklo mit Toilettenpapier (!), unter sternenübersätem Traumhimmel. Allein schon die Gastfreundschaft ein Erlebnis von bleibendem Erinnerungswert.

Begrüßung

Und dann: ein Lehmhüttendorf am Ende der Welt. Chimala/Brandt. „Welcome, we are happy“, singen die Mädchen und Buben des Dorfes. Übersetzt: Danke, wir sind glücklich. Singend, Hände klatschend begrüßen uns Kinder in Schuluniform.

Die afrikanische Wirklichkeit auch. Keine Elektrizität, keine funktionierende Wasserversorgung. Allein die Landwirtschaft sichert, mehr oder weniger, das Überleben, mit einem Jahreseinkommen von kaum mehr als 200 Euro. Das reicht für zwei, manchmal nur eine Mahlzeit pro Tag, bestehend aus Ugali, einem Maismehlbrei, garniert mit ein wenig Gemüse aus Selbstanbau. Trotzdem, Fröhlichkeit und Genügsamkeit sind Mitbewohner der bis zu sechs- und achtköpfigen Familiengemeinschaften. Begehrtestes Gut: Bildung.

Es gibt eine staatliche Grundschule und einen kleinen Kindergarten, von der evangelischen Schwesternschaft betrieben. Auf deren 25-Hektar-Grundstück soll nun ein Kindergarten für 120 Kinder und später Primary- und Secondaryschool entstehen. Ein Lichtschimmer auf dem Schwarzen Kontinent. Im Moment allerdings steht nur das Fundament, und das nur zu einem Drittel. Also kann nur einer der drei Hausteile erstellt werden. Egal, die beiden anderen sind eh baugleich mit dem Ersten und später, hoffentlich, auch ohne „weiße“ Hilfe gut nachzubauen. Also, Ärmel hoch gekrempelt und ran.

Dachkonstruktion aufgesetzt

„Wir helfen Ihnen, helfen Sie uns“, sagt Brücke-Mitarbeiterin Ute bei der unumgänglichen Dorfversammlung, die mit überschwänglichem Lob für das Projekt aufwartet und besonders deren Leiter Michael Herold schon eine Art wortgemauertes Denkmal setzt. Und klar zeigen sich viele junge Männer als willige Mitarbeiter, tragen, schleppen, heben, schrauben und montieren, solange der Generator Strom liefert. Und wenn er bockt, macht ihm Allroundingenieur Georg schnellstens wieder Beine.  Stolz steht das ausmauerfähige Modulgerippe Tage später in der kargen Landschaft, mit Dach, natürlich erdbebensicher und das Wasser kommt aus 40 Metern Tiefe. Doch was, wenn die „Mzungus“ (Weiße) wieder abgezogen sind? Wird das Bauen nahtlos weiter gehen? Oder …?

Power Tiller

Nicht die einzige Frage, die unbeantwortet zurückbleibt. Da ist auch noch die nach dem dringend benötigten „Powertillar“ (kleine Zugmaschine für die Landwirtschaft), und die nach medizinischen Geräten für den Dorfarzt, dessen Praxisausstattung im Wesentlichen aus Stethoskop und Blutdruckmesser besteht. Dabei warten so viele Patienten mit tropen-, hygiene- und ernährungsbedingten Krankheitssymptomen dringend auf Behandlung.

Ein Zeitungsartikel in der Günzburger Zeitung von Helmut Kircher am 15.06.2013.

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